10.04.2004 Beat.em.down-Festival - Nürnberg, K 4
Da Torsten aus Dorsten aus Arbeitsgründen verhindert war, wurde mir als geographisch günstig Beheimateten die Ehre zuteil mit der offiziellen Moloko-Plus-Pressekarte in Nürnberg aufzuschlagen. So ging es mit einer Notration Augustiner und dem Bayernticket für 15 Euro mit dem Regionalexpress Richtung Franken und am Münchner Hauptbahnhof durfte ich mich anlässlich des anstehenden Fußballmatches über etliche Schwachmaten amüsieren. Vor allem was Schalke da teilweise für menschliche Randexistenzen im Schlepptau hat ist wirklich unter aller Kanone.
Nürnberg ist mir nicht gänzlich unbekannt, da ich dort immerhin 5 Jahre (sogar erfolgreich) studiert habe und so war es also eine Art nostalgische Wiederbegegnung mit einem Veranstaltungsort, der damals noch KOMM hieß und (die Älteren werden sich vielleicht erinnern) durch einen Massenverhaftungsskandal in den Achtzigern bundespolitisch für Furore sorgte.
Viel hat sich nicht verändert: kaum aus dem Hauptbahnhof herausgetreten stachen mir massive Polizeipräsenz und sich empörende Ostereinkäufer ins Auge, die sich um eine Iro-dominierte Anti-irgendwas-Demo vor dem Festivalort scharten. Netter Anblick.
Dies gab auch schon ein ziemlich repräsentatives Bild des Publikums wieder: Iros, Nieten und Stacheln allerorten und ich schätze mal, dass zur Hochzeit des Festivals bestimmt 500 Leute in und ums K 4 für ordentlich Lärm und öffentliches Aufsehen sorgten. Bis auf kleinere Zwischenfälle blieb es weitgehend friedlich, allerdings sorgte gegen Ende der Nacht eine Auseinandersetzung mit Notarzt- und Bereitschaftspolizeieinsatz für etwas Unfrieden. Insgesamt jedoch für Art und Menge des anwesenden Volks eine recht positive Bilanz, was unter anderem auch daran lag, dass ein Teil der wackeren Recken sich schon im Laufe des Abends zu einem Nickerchen an heimeligen Orten (Treppe, vor und auf der Bühne) zurückzog, die typischen Begleiterscheinungen bei klassischen Punkevents eben.
Mich störte das alles nicht wirklich und ich traf ein paar alte Weggefährten und machte die ein oder andere interessante neue Bekanntschaft.
Vom Zeitplan her war das Festival gut organisiert und hatte nur anfangs etwas mit Startschwierigkeiten zu kämpfen, so dass der Opener Deutsche Leidkultur aus Zeitgründen und wohl auch wegen bescheidener Publikumsresonanz schon nach 20 Minuten die Bühne räumte, was angesichts des Dargebotenen nicht wirklich schade war. Ging auf Deutsch und Englisch so in die Richtung "Zerstörte Jugend", falls die noch jemand kennt. War nicht völlig daneben, aber halt auch nicht der Bringer.
Als zweite Band dann schon ein echtes Highlight: Shark Soup aus Erlangen rockten mit ihrem punkigen Rockabilly und RockīnīRoll - natürlich original mit Standbass dargeboten - schon mal alles in Grund und Boden. Um einen Vergleich zu bringen: "Tiger Army" in hart und auf 45, klasse Band jedenfalls !
Der vorerst letzte Act im im Erdgeschoss gelegenen clubmäßigen Zentralcafe waren Inner Conflict aus Köln, die ich bis dahin nicht kannte und deren Ankündigung als "Punkcore" eine gewisse Skepsis aufkommen ließ, die allerdings erfreulicherweise unbegründet war. Schneller und relativ harter deutschsprachiger Sound irgendwo zwischen Hardcore und Bands wie Turbostaat mit weiblichem Gesang. Nicht schlecht, auch wenn ich dieses Kurze-Hosen-Turnschuhe-Outfit in Kombination mit politischem Kämpfertum für etwas albern halte (entschuldigt diesen kurzen Abstecher zur Stylecontrol), aber die sind halt noch jung.
Danach ging es hoch in den Festsaal, ein wirklich schmuckes altes Teil mit Atmosphäre, in dem ich zu meiner Studienzeit etliche legendäre Bands sah und um jetzt noch etwas zu prahlen erwähne ich noch beiläufig, dass ich 1984 in Nürnberg auch Zeuge eines Auftritts des legendären Johnny Thunders mit seinen "Heartbreakers" sein durfte. So, habe ich das auch noch elegant im Bericht verwurstet, aber wahrscheinlich liest bis hierhin sowieso niemand mehr, auch egal.
Im gediegenen Saalambiente heizten zunächst Antidote aus Holland in altbewährter GBH/Discharge-Stachelpunkmanier ordentlich ein. Richtig fetter Sound, hart, schnell und dennoch mit melodischen Ansätzen und Chören. Live eigentlich immer eine Bank.
Danach dann für mich der einzige Ausfall des Festivals. ZSK mit ihrem wenig originellen, technisch aber durchaus stilsicher dargebotenen melodischen Skatepunk können mich gar nicht berühren und irgendwelche beifallheischenden Wischi-Waschi-Politansagen a la "wir sind gegen Krieg" und "wir müssen uns konkret den Nazis entgegen stellen" (würde ich gerne mal dabei sein, wenn der Hänfling am Gesang die Faschos aufmischt) kommen reichlich peinlich rüber, was nichts mit der grundsätzlichen Richtigkeit der Aussagen zu tun hat. Bei den Kids kommt dieses politische Getue aber prima an und mir ist natürlich klar, dass ich nicht zur Zielgruppe von ZSK gehöre. Die wollen über ihr Rucksackpublikum (dieses omnipräsente Eastpak-Promo-Material auf dem Festival nervte übrigens gewaltig !) groß rauskommen und das scheint ihnen auch zu gelingen. Bin mal gespannt wie zunehmender kommerzieller Erfolg sich auf die politische Konsequenz der Jungs auswirkt, da gibt es ja genug Beispiele scheinheiliger Verlogenheit von "Chumbawumba" bis hin zu "Anti-Flag", die unter dem Deckmantel politischer Missionierung alles mitnehmen. Bringt mich alles jetzt nicht wirklich um den Schlaf, ist halt einfach nicht meine Welt und mein Verständnis von Punkrock, allerdings musste ich dann fast kotzen, als diese Bubis die Dreistigkeit hatten "If the Kids are united" zu vergewaltigen. Da hört der Spaß auf !
Zum Glück kamen danach die Lokalmatadoren Rejected Youth und da war die Welt wieder in Ordnung. Zu meiner Überraschung weniger Streetpunk-mitgröhlkompatibel als erwartet, sondern sehr schnell und hart, aber wirklich gut rübergebracht und natürlich wurde auf Ohrwürmer trotzdem nicht verzichtet.
Der letzte Act im Festsaal dann der Quasi-Headliner Voice of a Generation, die einen wirklich furiosen Auftritt hinlegten, auch hier wesentlich schneller und rasanter, als ich das von einem früheren Auftritt (mit anderem Sänger) kannte. Kritische Stimmen meinten, dass der Auftritt fast schon einen zu routiniert-professionellen und daher etwas abgezockten Charakter hatte, mir hatīs jedenfalls gefallen und da war ich nicht der Einzige.
Zum Abschluss des Konzertmarathons wechselte das Volk noch mal ins Zentralcafe runter, wo Guerilla keine Mühe hatten beim aufgeheizten Publikum völlig abzuräumen. Ein proppenvoller Laden, Pogo ohne Ende und ein wirklich energiegeladener Auftritt. Deutschsprachiger Punk ist ja nicht unbedingt meine Spezialität, aber wenn er so dargeboten wird und die Leute voll abgehen macht es einfach Spaß dabei zu sein.
Jetzt hatte ich tatsächlich 8 Bands überstanden und da mein Regionalexpress zurück erst um 4.41 Uhr startete wohnte ich noch der anschließenden Plattentellerparty bei, wo der DJ querbeet von AC/DC über Elvis, ABBA bis hin zu obskuren Country- und Easy-Listening-Knallern das zu diesem Zeitpunkt noch lebendige Volk zum Ausrasten brachte.
War insgesamt eine tolle und gut organisierte Veranstaltung und ich bereue keine Sekunde die Reisestrapazen (ich war letztlich gegen 9 Uhr daheim) auf mich genommen zu haben. Bleibt zu hoffen, dass es auch für die Veranstalter ein Erfolg war und eine Fortsetzung folgt. Es wäre schade, wenn die wenigen negativen Begleiterscheinungen dieser Idee ein Ende setzen und ein paar dämliche Aussetzer der harten Arbeit von etlichen engagierten Leuten den Garaus bereiten würden. Also mal hoffentlich bis die Tage !
Cheesy